>>> Einführung zur Finissage



Lieber Carsten Meyn, sehr verehrte Damen, sehr geehrte Herren.

Mit der heutigen Finissage wird diese Ausstellung in der Städtischen Galerie Wesseling beendet; aber das Wort "Finissage" kann auch Veredelung im Sinne von Vollendung ausdrücken und so wollen wir diesen Abend nutzen, um noch einmal den Künstler Carsten Meyn und seine hier ausgestellten Werke in den Mittelpunkt unseres Interesses zu führen.

Carsten Meyn hat einen durchaus bürgerlichen, ja anständig zu nennenden Werdegang über kaufmännische Ausbildung, Möbelfabrikation, Studium zum Innenarchitekten und somit bis zum Gestalter von Räumen und Interieur.

Er hat eine herrliche Familie einschließlich Enkel und lebt in Affalterbach, gut zwischen Heilbronn im Norden und Stuttgart südlich davon. Schwaben sind uns grundsätzlich als brav, fleißig, erfolgreich und sparsam bis zum Geiz bekannt. Aber auch Lebensfreude, süffig ausgebaute Weine und viel Leckeres hält die Gegend bereit, besonders wo Frankreich und das Elsass gar nicht weit sind!

Und hier in Wesseling zeigt dieser Carsten Meyn Bilder, die in ihrer Abstraktion viele Deutungen zulassen, aber Carstens eigene Typographie transportieren und den Betrachter, bitte auch die Betrachterinnen, zu locken versuchen.

Frei ausholende Bogen, sowohl von links nach oben, wie auch in die Gegenrichtung verraten ein hohes Kraftpotential und einen gewaltigen Ausdruckswillen des Künstlers.

Anatomische Rundungen, teilweise fantastisch eindeutig, lassen uns ahnen, dass Carsten nach meinem Verständnis niemals das zölibatäre Leben eines Priesters hätte teilen mögen!

Bei dem Versuch, in manche seiner Bilder einzusteigen, stellen sich Begriffe vor meinen Augen ein, die weniger aus dem Hirn, denn mehr aus der Lendengegend stammen. Der Ausspruch vom "hübschen Po" beschreibt dies nur annähernd.

Typisch Mann werden Sie, verehrte Damen, sicher jetzt fast laut denken; immer nur das eine im Kopf. Wir sind aber mittlerweile erfahren genug, um doch viel mehr im Kopf zu haben, mögen aber gar nicht abstreiten, dass lustig sein, Lust haben und auch Woll-Lust nichts mit Wolle und stricken, sondern mit freudigen Dingen unseres Lebens zu tun haben und einen wesentlichen Anteil an Kraft und Schaffensdrang in uns begründen.

Und ganz sicher wollen wir einem Künstler Carsten Meyn zugestehen, mit Lust seine Bilder zu schaffen und auch die Menschwerdung in seine Werke einzubeziehen.

Neben der Form setzt Carsten Farbe in dramaturgisch berauschender Macht ein; aus vielen Bildern springen starke Hochgefühle, andere belasten uns mit vielen Ahnungen um Ohnmacht und Ende.

Räumliche Aufteilungen innerhalb der Werke, Anwesenheit von Rahmen und ihre Ausprägung und auch die Hängung verraten den klaren Blick des Architekten – des Bogenbauers, das alles hat sich nicht zufällig ergeben. Auch hier ist Carsten ganz deutlich zu finden.
Carsten Meyn malt keine Bilder, die gefallen wollen – aber ich fühle mich von einigen seiner Bilder im schönsten Sinne des Wortes "angemacht".

Und ich denke, das genau will er!

Was Schwaben alles so können, erstaunlich. Viel Freude und Lust auf Deinem Weg, Carsten!

Und so schließe ich mit einem herzlichen "j’ai fini – ich habe fertig".




Karl Kutsch, Kunstverein Wesseling e.V., 16.Juli 2004